Schönes Gurren und weiches Gefieder

Liebe zur Taube lässt den zwölfjährigen Markus und den fast 80-jährigen Helmut Ebner Freunde werden.
in Ziehsohn“, sagt Helmut Ebner schmunzelnd und drückt den zwölfjährigen Markus. Seit über einem Jahr sind die beiden richtig gute Freunde, verbunden durch eine gemeinsame Passion für Tauben. Genau 70 Jahre Altersunterschied trennt die beiden, Helmut Ebner ist Seniorchef einer örtlichen Kanalreinigungsfirma und Markus lebt seit fast zehn Jahren mit vier seiner Geschwister im Jugendhilfezentrum Maria Schutz. Dort fällt auch seine Begeisterung für Tauben auf.
Warum denn gerade Tauben? Markus lächelt versonnen und erklärt: „Die gurren so schön und das Gefieder ist so weich.“ Jedenfalls machte sich im Internet einer der Erzieher schlau und stieß dabei ganz schnell auf Helmut Ebner, ein Urgestein des örtlichen Taubenzüchtervereins Mainbote.
Schon nach dem ersten Treffen der beiden Taubenfans war allen klar: hier stimmt die Chemie. Und seitdem besucht Markus oft mehrmals wöchentlich den großväterlichen Freund und seine vielen Tauben. „Manchmal habe ich schlechte Laune, doch beim Helmut bin ich gleich wieder gut drauf“, erzählt Markus mit einem kleinen Lächeln. Der Taubenzüchter spielt den Ball zurück und lobt das Einfühlungsvermögen des Jungen. „Der hat keine Berührungsängste, geht sehr behutsam mit den Tieren um und ist eine richtige Hilfe.
Die Arbeitsteilung ist klar definiert: Der Große im weißen Kittel kratzt den Mist zusammen, der Junge im eigenen identischen, nur viel kleineren Kittel saugt den Dreck dann auf. Oft ist Markus auch dabei, wenn die Tauben am Wochenende von ihren Preisflügen zurückkommen. Gemeinsam mit Ebner lockt er dann die Vögel in den Schlag und durch die Lichtschranke der automatischen Konstatieruhr.
Gefüttert wird gemeinsam und dazu viel gequatscht – natürlich über Taubenthemen, und Ebner scheint fast überrascht, wie schnell Markus sich das Gelernte merkt. Eine Kostprobe kommt gleich mit einem Redeschwall. Markus spult Brutverhalten, Rassemerkmale und Taubenkrankheiten runter: gebrütet wird 17 Tage, Tauben mit orangen Augen sind keine guten Vögel und der Wanderfalke ist ein gefährlicher Feind.
„Manchmal habe ich schlechte Laune, doch beim Helmut bin ich gleich wieder gut drauf.“
Taubenfan Markus
In der Schule hat sich dieses Wissen schon in einer eins plus mit Sternchen im Taubenreferat niedergeschlagen. Und auch ansonsten, findet Markus, läuft es in der Schule besser. Das liegt vielleicht auch daran, dass die beiden im Taubenschlag bei der Arbeit nicht nur über Tauben sinnieren, sondern schöne Erlebnisse, aber auch Ängste und Sorgen miteinander besprechen.
Ärger mit anderen Kindern ist zum Beispiel so ein Thema. Helmut Ebner hat oft mit seinem eigenen, gut 80-jährigen Erfahrungsschatz und als Opa von mittlerweile sieben Enkeln für Markus eine ausgleichende Konfliktlösung parat. Man merkt schnell, hier geht es nicht um irgendein therapeutisches Projekt, da haben sich zwei gerne und viel Spaß miteinander, wie Helmut Ebner es so schön sagt. Eine Win-Win-Situation also, die auch bei den Verantwortlichen im Jugendhilfezentrum gut ankommt.
Es sei wichtig, so Leiter Andreas Waldenmeier, dass sich die Kinder im Dorf akzeptiert und integriert fühlen, „und diese Geschichte ist da ein wunderbares Vorbild“. Die Betreuer begleiten die Freundschaft aus der Ferne, besuchen aber manchmal auch den Taubenzüchter gemeinsam mit Markus. „Der sagt ihnen dann genau, wie sie sich im Schlag verhalten müssen“, zwinkert Ebner Markus zu. Der wird langsam unruhig und möchte endlich in den Taubenschlag zu seinen Lieblingstauben Pastor und Schimmel. Die vertrauen dem Zwölfjährigen und kommen sofort, wenn er den Stall betritt.
Professioneller Taubenzüchter möchte Markus übrigens nicht werden, lieber Verkehrspolizist oder der „Chef von einer Firma“, wie Helmut Ebner. Und das Taubenzüchten? „Da habe ich was gefunden, das zu mir passt, das bleibt immer mein Hobby“, sagt Markus und lächelt Helmut Ebner an.

Geschrieben von Daniela Schneider
Veröffentlicht: Mainpost 07.11.13